Tag 12: Mit dem Express Boot nach Yakushima

Ich werde spät wach und freue mich, die erste Nacht in Japan gut und ausreichend geschlafen zu haben. Draußen ist es grau und es fällt warmer Regen. In einem 7-Eleven kaufe ich mir einen heißen Kaffee, und im Hotel mache ich mir die am Vortag gekauften Nudeln warm. Ich bin gewappnet für die nächste Etappe, die mich an den südlichsten Punkt meiner Reise führt: die subtropische Insel Yakushima. Die Fahrt dauert mehr als drei Stunden mit einem Schnellboot und ist mit 70 Euro für eine Strecke sehr teuer.

Im Hafen-Terminal verkaufen zwei ältere Damen Süßigkeiten und Getränke; ich kaufe mangels Kaffeeangebot einen Vitamin-C-Saft und werde von einer von ihnen mit Nettigkeiten und Lachen überschüttet. Sie erklärt mir mit Gesten, dass sie 93 Jahre alt ist und jeden Tag hier arbeitet. Ich darf ein Foto machen.

Im Schnellboot gibt es vorgegebene Sitzplätze; man sitzt wie im Flugzeug in zwei Reihen außen und vier Reihen innen. Es besteht Anschnallpflicht. Die Fahrt verläuft erstaunlich ruhig: Erstens sind die Motoren viel leiser, als ich es von ähnlichen Booten kenne, und zweitens ist das Wasser glatt. Die Passagiere sind ebenfalls sehr still (sogar die Touristen), und ich kann gut am Tagebuch schreiben. Heute macht das Schreiben sogar richtig Spaß und geht schnell.

Die Ankunft auf Yakushima ist ernüchternd. Der Hafen ist ein Lost Place – kein Kaffee, kein Kiosk, nichts. Ein paar Industrieruinen und eine heruntergekommene Bushaltestelle mit einem kaum lesbaren und schwer verständlichen Fahrplan. Auch hier: warmer Regen.

Es sind nicht viele Leute ausgestiegen. Die meisten Touristen werden von Mietwagenfirmen empfangen und nehmen auf dem nahen Parkplatz ihre Autos entgegen. Ich beneide diejenigen, die so einen kleinen Microvan bekommen.

Meine Unterkunft liegt laut Google 20 Minuten Busfahrt entfernt. Es gibt nur eine Buslinie, die auf der Küstenstraße die gesamte Insel umrundet (ca. 100 Haltestellen). Ein Bus fährt im Uhrzeigersinn, der andere entgegengesetzt. Einer kommt – früher als im Fahrplan angegeben – und ich versuche dem Fahrer mein Ziel auf dem Handy zu zeigen. Das interessiert ihn aber nicht. Stattdessen hält er mir (wie allen anderen ausländischen Gästen) ein Schild vor die Nase, auf dem steht, dass er kein Wechselgeld herausgibt. Ich habe eine 100-Yen-Münze, einen 1000-Yen-Schein (5 Euro) und einen 10.000-Yen-Schein – ich muss also gut aufpassen. Auf einem Display im Bus kann man genau verfolgen, welchen Betrag man beim Aussteigen zahlen muss.

Natürlich fährt der Bus in die falsche Richtung. Wegen des Regens bleibe ich aber sitzen und fahre so lange mit, bis ich kurz vor der 1000-Yen-Marke bin. Dann steige ich aus – glücklicherweise direkt vor einem Supermarkt. Ich kaufe mir ein paar frittierte Merkwürdigkeiten in einer Plastikschale, kleine Brötchen sowie einen Kaffee in der Aluflasche – leider kalt. Ich vermisse 7-Eleven.

Immerhin kann ich an der gegenüberliegenden Haltestelle erkennen, dass in wenigen Minuten der „richtige“ Bus kommt. Der hat auch einen freundlichen Fahrer, und ich bin wieder mit der Welt im Reinen. An der Haltestelle Nummer 92 steige ich aus, und dann sind es nur fünf Minuten steil bergauf. Da sehe ich schon – vor imposanter Kulisse und zwischen Palmen, Lianen und Orangenbäumen – meine Unterkunft für die nächsten drei Tage.

Eine zierliche junge Frau kommt mir entgegen, schüttelt mir die Hand und schnappt sich meinen Koffer, um mir den Weg zu zeigen. Dann erledigt sie in einem campingähnlichen Aufenthaltsraum den Check-in. Im Check-In Bereich stehen Holztische, es gibt Geschirr, eine Kaffeemaschine und einen Kühlschrank mit Getränken und tiefgefrorenen Gerichten zum Aufwärmen. Auch Bier und Softdrinks. Wer etwas aus dem Kühlschrank nimmt, schreibt das auf einen Zettel. Dann sehe ich mein Zimmer – und bin begeistert: ein großer, schlichter Raum mit Futonbett und Fenstern nach zwei Seiten, umgeben von wildem Grün. Sogar eine kleine Terrasse mit Tisch und Stuhl – hinter einer Schiebetür – gehört zu meinem Wohnbereich.

Ich hatte ein Gemeinschaftsbad erwartet, aber Toilette und Waschbecken gehören zu meinem Zimmer. Und das Beste liegt dahinter: eine Badewanne im Freien, mit Sichtschutz und einem halbdurchlässigen Dach aus Pflanzen – und einem atemberaubenden Ausblick. In der Wanne sitzend / liegend / stehend schaut man direkt auf den fast 1000 Meter hohen Miyanoura-dake, der in seiner Form ein bisschen an den Zuckerhut erinnert. Das ist wirklich einmalig.

Die Gastgeberin geht mit mir noch ein paar Hundert Meter zu einem kleinen Schuppen, in dem drei Mountainbikes stehen, die kostenlos benutzt werden können. Weder ist die Tür verschlossen, noch sind die Räder abgeschlossen – alles ganz entspannt hier auf der Insel. Ich merke, dass man hier direkter und unkomplizierter ist, was mir nach all der Zeremonie der letzten zwei Wochen richtig gut tut.

Weil ich neugierig bin, gehe ich zu Fuß noch 20 Minuten zum nächsten Ort, wo es einen Supermarkt gibt. Ich kaufe mir ein käseähnliches Produkt und meinen Lieblingssalat (Chinakohl-Meeralgen). Die Luftfeuchtigkeit ist herausfordernd, aber ich sehe auf der einen Seite das Meer und auf der anderen den „Zuckerhut ohne Zucker“ – und fühle mich angekommen.

Abends sitze ich in den Aufenthaltsräumen einer im Haus, einer offen im Hof; soweit ich sehe, sind nur vier Gäste hier. Alles ist ruhig und gelassen – so, wie ich es mag. Ich höre ein Insektenkonzert, trinke mein Feierabendbier und schreibe. Endlich geht es (langsam) voran mit dem Tagebuch.

PS: Beim Lesen auf Spiegel Online stelle ich überrascht fest, dass heute Sonntag ist. Wirklich? Ich war hundertprozentig sicher, heute sei Samstag.

Tageswertung: 9 Punkte

Datum: 9. November 2025 — Ort: Yakushima

Yakushima – Weltkulturerbe im Süden Japans

Yakushima (屋久島) gehört zur Ōsumi-Inselgruppe der Nansei-Inseln und liegt in der Präfektur Kagoshima, rund 60 Kilometer südlich der Kyūshū-Halbinsel. Die Insel ist vulkanischen Ursprungs: Vor etwa 14 Millionen Jahren hob sich die heutige Granitlandschaft aus dem Meer – ein geologischer Prozess, der bis heute anhält. Alle tausend Jahre wächst die Insel um etwa einen Meter.

Die Fläche Yakushimas beträgt rund 500 km², der Umfang etwa 89 km. Prägend sind die rund 45 Gipfel über 1000 Metern Höhe, darunter der Miyanoura-dake (1935 m), der höchste Berg der gesamten Kyūshū-Region. Etwa 42 % der Insel stehen unter Schutz und bilden den Yakushima-Nationalpark.

Yakushima ist berühmt für seine immergrünen, regenreichen Feuchtwälder und die jahrhundertealten Zedernbäume, die „Yakusugi“. Jährlich besuchen über 300 000 Menschen die Insel.

Der Jahresniederschlag gehört zu den höchsten weltweit: 4000 mm im Flachland, bis zu 8000 mm in den Bergen. Das Klima ist subtropisch – im Winter bleibt es an der Küste mild, während die Berge sogar Schnee tragen.

Die Bewohnerzahl liegt heute bei rund 13 000 Menschen, nachdem sie seit den 1960er Jahren stark zurückgegangen ist. Die traditionelle Holzwirtschaft wurde durch Fischerei, Zitrusanbau und heute vor allem durch den Tourismus ersetzt.

Yakushima ist über den Flughafen der Insel sowie regelmäßig verkehrende Fähren und Schnellboote mit Kagoshima verbunden.

Wikipedia

Was mir heute aufgefallen ist

Auch in der Camping-Unterkunft bleiben die Straßenschuhe vor der Tür. Es werden Hausschuhe zur Verfügung gestellt. Das hatte ich erwartet, aber heute lerne ich, dass es neben Hausschuhen und Toilettenschuhen, noch eine dritte Kategorie für den privaten Bereich gibt, und zwar so eine Art Übergangsschuh, aus robustem schwarzen Kunststoff, der in den Zwischenbereichen zwischen Haus und Straße getragen wird, zum Beispiel auf der Terasse oder im Hotel auf dem Weg vom Zimmer zum Onsen-Bad.


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