Tag 13: Mit dem Mountainbike über die Insel Yakushima- ein Tag voller Überraschungen

Heute kann ich es kaum erwarten, wieder auf einem Fahrrad zu sitzen – diesmal auf einem sportlichen, fast neuen Mountainbike, das im Übernachtungspreis von 75 € enthalten ist. Ich hole es aus dem nahegelegenen Schuppen, und schon geht es los. Die Schwüle von gestern ist einer angenehmen, kühlen Brise vom Meer gewichen, der Himmel hängt voller schwerer Wolken, aber es ist trocken.

Ich fahre auf der einzigen ausgebauten Straße, die die gesamte Insel umrundet. Es gibt wenig Verkehr und es ist ein Vergnügen, zwischen moderaten Anstiegen und flotten Abfahrten dahinzugleiten.

Ich passiere eine Farm mit weidenden Rindern und immer wieder kleine Holzhütten, in denen Obst und Gemüse angeboten werden. Auf den Früchten kleben Preisschilder, Karotten liegen in Tüten bereit. In der Hütte steht ein einfacher Holzkasten, in den man das Geld wirft. Eine echte Kasse des Vertrauens.

Das ständige Bergauf und Bergab kostet Kraft, und da ich kein Frühstück hatte, halte ich Ausschau nach einem Kombini. Im ersten Ort gibt es jedoch keinen – nur eine Tankstelle – und die verkauft nur Benzin. Der freundliche Tankwart erklärt mir über eine Übersetzungs-App, dass es auf Yakushima keine Kombini gibt, aber einige private Läden in den nächsten Orten.

Der Weg dorthin zieht sich. Ich sehe Hinweisschilder zu „Underwater Hot Springs“, wo sich durch heißes Wasser vom Meeresgrund natürliche Badebecken bilden. Ein Café namens „Nirvana“ öffnet erst nachmittags. Langsam mache ich mir Sorgen, völlig entkräftet vom Rad zu fallen. Doch dann kommt ein kleiner Dorfladen in Sicht.

Drinnen ist das Angebot überschaubar, der Laden wirkt liebevoll chaotisch. Die Besitzerin blickt etwas ratlos drein, doch dann erscheint ihr Sohn: Mittagessen gebe es erst später, aber Kekse könne ich haben. Plötzlich winkt er aufgeregt, und im nächsten Moment betritt eine junge Frau den Laden. Sie spricht perfekt und verhilft mir zu einem Upgrade der Kekse. Ich bekomme nun eine Portion Fertignudeln und zwei Spiegeleier. Brot gibt es zwar nicht, doch die Nudelportion ist groß und mit den Eiern schmecken sie beinahe himmlisch.

Die junge Frau erzählt, sie sei von der Insel, habe jedoch 20 Jahre in London gelebt und sei erst im April mit Mann und Kindern zurückgekehrt. Kurz darauf erscheint ihr Mann Jimmi, ein sympathischer Brite. Er zeigt mir auf Google Maps die besten Radstrecken und Badestellen und empfiehlt ein gutes Mittagessen – sofern ich rechtzeitig dort bin. Er arbeitet im Musikbusiness und liebt das einfache Leben hier, auch wenn er die Konzertkultur Londons manchmal vermisst. Fünf Minuten später kehrt er zurück – seine Frau habe ihn gebeten, mir auch noch den Platz zu zeigen, an dem die Affen leben.

Nun habe ich einen Plan und setze meine Tour fort. Ein kleiner Ort weckt meine Neugier. Ich biege ab, überquere eine interessante Holzbrücke, und ein kleiner Junge winkt mir zu. Seine Großmutter begrüßt mich ebenso herzlich. Sie zeigt mir ein Geldstück, und ich denke, sie will mir etwas verkaufen – aber das Gegenteil ist der Fall. Sie lädt mich zum Getränkeautomaten ein und schenkt mir ein Getränk meiner Wahl. Ich entscheide mich für einen „europäischen Kaffee“ aus der Dose, bedanke mich mehrfach und bin erneut gerührt von der Geste und von der Güte der alten Dame.

Viele Häuser sind sehr einfach, manche wirken unaufgeräumt. Doch es gibt Ausnahmen: Ein Neubau mit einem schönen Naturstein, einem Baldachin für die Katze und einem Garten voller Bananenpflanzen fällt mir besonders ins Auge. Zum ersten Mal sehe ich eine Bananenstaude in freier Natur. Ein gewaltiger, uralter Baum steht wenige Meter weiter – er wirkt wie Denkmal der Natur und stummer Zeuge der Jahrhunderte.

Vom Meer weht heftiger Wind, der das Radfahren anstrengend macht. Zugleich klart das Wetter auf und es wird angenehm warm. Nach rund 25 km sind kaum noch Autos unterwegs. Aus dem Wald höre ich spitze Schreie und ein bellendes Lauten. Das müssen sie sein – die Affen.

Und tatsächlich: Hinter einer Kurve sitzen sie auf der Straße, vielleicht zwanzig Tiere, die meisten in kleinen Gruppen. Es sind Yakushima-Makaken. Ich bin aufgeregt – werden sie fliehen, werden sie neugierig sein? Doch nichts dergleichen. Sie gehen ihrer Routine nach: Fellpflege, Blättersnacks, kleine Streitereien. Erst als ich einem größeren Makaken zu nahe komme und ihn sogar anspreche, reagiert er: ein markerschütternder Schrei, gefletschte Zähne, drohende Armbewegungen wie ein Boxer. Ich ziehe mich langsam zurück. Alles klar, du bist der Chef hier.

Autos stören sie nicht; die Fahrer kennen die Stelle und fahren vorsichtig. In Japan gilt schließlich: Der Affe hat Vorrang. Ein kurzer interner Streit versetzt die Gruppe in Aufregung, und der Boss ruft seinen Befehl. In Windeseile verschwinden die Tiere im Wald, flink und elegant zwischen den Bäumen hangelnd.

Doch der Wald hält mehr bereit: Zwischen den Stämmen sehe ich zwei große, dunkle Augen. Ein Reh – genauer: ein Yakushima-Hirsch – steht vielleicht fünf Meter von mir entfernt, vollkommen ruhig. Minutenlang mustert es mich, und selbst als ich die Kamera zücke, bleibt es gelassen. Es sind mehrere Tiere, die ich etwa fünfzehn Minuten lang aus nächster Nähe beobachten kann. Nun weiß ich: Die schrillen Rufe zuvor kamen von ihnen.

Der Rückweg macht Spaß, nun überwiegend bergab.

Im Ort Ômase suche ich nach dem empfohlenen Restaurant Matsutaki. Ich suche lange, denn Google Maps führt mich immer wieder zu einem unscheinbaren Wohnhaus. Erst später erkenne ich: Genau dieses Haus ist das Restaurant. Ein kleiner Stein mit japanischer Beschriftung verrät dezent, dass es hier Nudeln gibt.

Das Innere überrascht mich völlig: ein heller, sauberer Raum mit stilvoller, schlichter japanischer Einrichtung. Einige Schüler haben gerade ihr Mittag beendet und gehen. Ich bin der einzige Gast und kann zwischen fünf Menüs wählen. Wasser ist wie immer kostenlos, dazu steht eine Kanne Kaffee bereit. Ich sitze auf dem Boden, zwei Kissen geben Halt. Der Tisch besteht aus einem mächtigen Baumstamm und ist etwa 30 cm hoch.

Das Essen übertrifft alles: viele kleine Schälchen, liebevoll angerichtet – Schweinefleisch mit Reis, Nudelsuppe, Rohkost, Natto und zwei kleine Desserts. Alles schmeckt großartig. Und der Preis? 4,50 €, inklusive Wasser und Kaffee.

Auf dem Rückweg treffe ich Jimmi erneut. Er wohnt mit seiner Familie direkt über dem Dorfladen in einem knallgelben Haus. Er freut sich über meinen gelungenen Tag und bietet mir sogar seine Schnorchelausrüstung an, falls ich schwimmen möchte.

Gegen 17 Uhr wird es dunkel, und ich erreiche rechtzeitig meine Unterkunft.

Tageswertung: Müde aber glücklich – 10 Punkte

Datum: 10. November 2025 — Ort: Yakushima

Allgegenwärtig: Getränkeautomaten

In Japan gibt es ca. 6 Millionen Getränkeautomaten, auf 23 Personen kommt eine Verkaufsmaschine. Das ist Weltrekord.

Sie stehen nicht nur auf Bahnhöfen, in Hotels, Tempeln, Schulen und öffentlichen Gebäuden sondern schlicht und einfach an jeder Straßenecke. selbst in entlegenen Regionen.

Das Sortiment reicht weit über klassische Getränke hinaus – von heißen und kalten Soft- und Heißgetränken über Kaffee, Tee und Energie-Drinks bis hin zu Snacks oder Spezial-Produkten. Ich habe auch Automaten gesehen, die heißes Wasser für die Zubereitung von Instant-Nudeln ausgeben.

Die Preise für ein Getränk liegen aktuell bei ca. 150 -200 Yen ( 0,75 – 1,00 EUR).

Technisch sind viele Automaten hochmodern: Sie arbeiten oft mit Sensoren, energiesparenden Kühlsystemen, bargeldloser Zahlung und sind sogar auf Notfälle ausgelegt. Viele Automaten schalten bei Erdbeben oder anderen Notfällen in einen Modus, in dem sie kostenlos Wasser oder Getränke ausgeben.

Für viele Japaner haben sie Kultstatus: Sie symbolisieren Bequemlichkeit, Präzision, Verfügbarkeit rund um die Uhr. Gleichzeitig sind sie ein Spiegelbild der japanischen Technik- und Dienstleistungskultur.

Einen ausführlichen Bericht (auch zu vielen anderen Themen der Alltagskultur) findet ihr in dem wunderbaren Blog JAPANLIEBE

Was mir heute aufgefallen ist

Auch in der Camping-Unterkunft bleiben die Straßenschuhe vor der Tür. Es werden Hausschuhe zur Verfügung gestellt. Das hatte ich erwartet, aber heute lerne ich, dass es neben Hausschuhen und Toilettenschuhen, noch eine dritte Kategorie für den privaten Bereich gibt, und zwar so eine Art Übergangsschuh, aus robustem schwarzen Kunststoff, der in den Zwischenbereichen zwischen Haus und Straße getragen wird, zum Beispiel auf der Terasse oder im Hotel auf dem Weg vom Zimmer zum Onsen-Bad.


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