Tage 19/20 Ausklang in Tsuruga / Fazit

Am Ende meiner Reise verbringe ich zwei ruhige Tage in der mittelgroßen Stadt Tsuruga (60.000 Einwohner) in der Präfektur Fukuij. Von hier aus sind es mit dem Shinkansen 4 Stunden zum Flughafen in Tokio. Was mich an dieser Region interessiert, ist die nahgelegene Stadt Sabae, die als Brillenhauptstadt Japans gilt. Brillen aus Sabae sind für ihre Qualität und ihr Design nicht nur in Japan sondern weltweit bekannt. In der kleinen Stadt sind ca. 100 kleine und große Unternehmen sowie Handwerksbetriebe in der Produktion von Brillen beschäftigt. Ich möchte das Brillenmuseum und ein Outlet besuchen. Um es kurz zu machen, der Besuch von Sabae war eine der wenigen Enttäuschungen meiner Reise). Im Museum war nur ein einziger, wenig interessanter, Ausstellungsraum geöffnet. Das Outlet hatte geschlossen und der Brillenverkauf im Museum war überlaufen, das Angebot hielt sich in Grenzen. Keine neue Brille für mich.

Dafür hat mich die Stadt Tsuruga , die nur ein Schlafplatz sein sollte, überrascht und erfreut. Mir hat die stille, unaufgeregte Atmosphäre auf Anhieb gefallen. Ein Ort, der nichts Spektakuläres versucht – und gerade dadurch wirkt.

Mein Hotel lag an einem neu bebauten und modern gestaltete Platz direkt am Bahnhof. Tsuruga hat 2024 einen Shinkansen-Anschluss bekommen, aus diesem Grund wurde der Platz davor umgestaltet, was hervorragend gelungen ist. Im Zentrum des Platzes ist ein große Rasenfläche, etwas so groß wie ein Fußballplatz. Der Rasen darf betreten werden, Kinder des spielen darauf. Rundherum sind moderne Gebäude, zum Beispiel mein Hotel, Restaurant, schicke Cafes sowie eine Bibliothek.

Als ich abends aus dem Bahnhof kam, es war bereits dunkel, sah ich dieses moderne, dezent beleuchtete Gebäude aus Glas – und wusste sofort: Das wird mein neues Zuhause. Chienamiki, wie es hier heißt, ist viel mehr als eine Bibliothek oder Buchhandlung. Mehr als 30.000 Bücher liegen dort unter einem „Weltbaum“-Konzept ausgebreitet, bei dem sich die Regale wie Äste in alle Richtungen ausstrecken.

Im Inneren fand ich gemütliche Leseecken mit Sesseln und Sofas, einen offenen Bereich für Familien und Kinder, kleine Arbeitsnischen – und ein Café, das feinen Matcha und Kaffee serviert. Genau dort habe ich an zwei Tagen gesessen, geschrieben, gelesen und Tee getrunken, bis ich mich fast wie ein Teil des Inventars fühlte.

Für mich war Chienamiki der aufgeräumte, helle, freundliche Zufluchtsort, an dem ich das Tagebuch zu Ende schreiben und über die letzten drei Wochen nachdenken konnte. Ein Stück Heimat. Ich war angekommen. Und glücklich.

Erstes kurzes Fazit

Japan hat mich verzaubert. Ich hatte Freundlichkeit und Höflichkeit erwartet – und tatsächlich jeden Tag erlebt und genossen –, aber ich hatte nicht damit gerechnet, so viel menschliche Wärme und Herzlichkeit in ganz alltäglichen Momenten zu erfahren.

Ich habe die Organisationskunst bewundert, die Präzision, die Liebe zum Detail in allem, selbst in profanen Dingen wie der Verpackung, dem Service oder der Gestaltung öffentlicher Räume. Das Vertrauen, das einem überall entgegengebracht wird, das Gefühl von Sicherheit – immer und überall – hat mich beeindruckt. Und nicht zuletzt der Komfort: Bahnreisen sind ein Genuss, die Hotels blitzsauber und modern ausgestattet und dabei für europäische Verhältnisse preiswert. Die Kombinis, in denen sich Reisende jederzeit und überall mit Proviant eindecken können – für wenig Geld und mit viel Freundlichkeit –, und die kleinen Restaurants, in denen ich für deutsche Mensa-Preise vorzüglich gegessen habe… All das werde ich vermissen.

Besondere Momente waren vor allem die Begegnungen mit Menschen: die Abende in der kleinen Izakaya, die herzlichen Gastgeber im einfachen Gasthaus in Awa-Ikeda, die Lehrerin Maruuka, die mir so offen begegnet ist, und die alte Dame, die mir völlig überraschend einen Kaffee geschenkt hat. Dann war da Jimmi aus England, der auf Yakushima sein Glück gefunden hat, und natürlich Ai, die mich zwei Tage lang wie ein Familienmitglied in ihrem Haus aufgenommen hat. Und ganz zum Schluss die Schaffnerin in ihrer viel zu großen Uniform, die mir auf meiner vorletzten Etappe aus der Patsche geholfen hat. Solche Begegnungen – unscheinbar, unerwartet, herzlich – haben diese Reise geprägt.

Arigato

ありがとう

Tageswertung: Ein entspannter Ausklang in einem modernen Hotel und einer wunderbaren Bibliothek 10 Punkte

Datum: 17-19- November 2025 — Ort: Tsuruga

Japan: Land der Widersprüche

Japan ist ein Land voller kultureller Spannungs-felder, die das gesellschaftliche Leben bestimmen:

• Höfliche Fassade vs. direkte Offenheit im Privaten
In der Öffentlichkeit herrschen Zurückhaltung und formelle Höflichkeit. Unter Freunden dagegen sind viele Japaner überraschend direkt und emotional.

• Tradition vs. Moderne
Alte Bräuche, Feste und Verhaltensformen stehen gleichberechtigt neben Hightech, Popkultur und digitaler Innovation.

• Minimalismus vs. Konsumfreude
Nach außen wirken viele Lebensstile zurückhaltend und schlicht, doch zugleich ist die Begeisterung für Marken, Sammelobjekte und neue Produkte groß.

• Kollektivismus vs. Individualität
Das Wohl der Gruppe gilt viel – dennoch wächst besonders unter Jüngeren der Wunsch nach einem selbstbestimmten Leben jenseits starrer Erwartungen.

• Harmoniestreben vs. Konfliktvermeidung
Konflikte werden selten offen ausgetragen, was Harmonie sichert, aber Probleme oft in die Tiefe verdrängt.

• Perfektionismus vs. Angst vor Fehlern
Die hohe Qualität vieler Arbeiten speist sich aus großer Sorgfalt – doch die Furcht vor dem Scheitern kann Entwicklung und Entscheidungen bremsen.

• Starre Rollenbilder vs. gesellschaftlicher Wandel
Traditionelle Vorstellungen von Geschlechterrollen bestehen fort, während gleichzeitig ein langsamer, aber deutlicher Modernisierungsschub stattfindet.

Diese Spannungsfelder machen Japans Kultur so reich, komplex und für Außenstehende oft überraschend. Quelle: Japanwelt (gekürzt).

Den ganzen Artikel findet ihr hier: https://www.japanwelt.de/blog/die-groessten-widersprueche-in-der-japanischen-kultur-gese

Was mir heute aufgefallen ist

In Usaki, wie in vielen anderen Kleinstädten, gibt es keine zentrale Versorgung mit Gas, vielmehr haben fast alle Häuser eigene Gasflaschen vor Ihren Häusern stehen, mit denen Sie sich versorgen.


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