Tag 8: Shimanami Kaidō – Radtour auf dem berühmtesten Radweg Japans

Dieser Radweg ist mir sofort aufgefallen, als ich anfing, meine Reise durch das südliche ländliche Japan zu planen. 70 km, die Hiroshima mit Shikoku verbinden und dabei bis zu 50 Brücken passieren. Eine Art Inselhopping mit dem Rad.

Eigentlich hatte ich vor, die Tour mit einem altmodischen Rad zu machen und in zwei Etappen aufzuteilen, um maximale Zeit für Fotos zu haben. Auf einer Insel wollte ich übernachten, hatte auch schon eine Unterkunft reserviert. Aber nachdem ich einen Chill-Tag eingelegt hatte, verkürze ich auf einen Tag mithilfe der Elektro-Unterstützung. Da kurzfristige Reservierungen gestern nicht mehr angenommen wurden, gilt es, frühzeitig bei der Mietstation zu sein. 08.00 machen sie auf, 07.45 bin ich da. Das Frühstück im Hotel war einmal mehr vielfältig und vom Feinsten – obwohl es sich um ein Budget-Hotel für ca. 50 EUR handelt.

An der Mietstation finde ich nicht wie befürchtet eine lange Schlange vor, sondern nur einen älteren Herrn aus Hongkong vor mir, der die Tour schon einmal gemacht hat. Ein Experte also. Dann kann nichts schiefgehen.

Die Ausleihe ist unkompliziert, in 15 Minuten sind alle Formalitäten erledigt. Meinen Koffer kann ich am Zielbahnhof abholen. Preis für die Miete: 20 EUR für einen Tag E-Bike und 7 EUR für den Koffertransport – das ist erfreulich günstig. Dazu gibt es eine traditionelle Straßenkarte und den Tipp, am Zielort Onomichi die Fähre in die Stadt zu nehmen anstelle der vielbefahrenen Straße. Das Rad wird eingestellt, es gibt eine kurze Einweisung, einen Helm und los geht’s.

Der Experte bricht auch gerade auf, wir fotografieren uns noch gegenseitig und dann folge ich ihm, denn der Radweg scheint hier noch nicht gut ausgeschildert zu sein.

Zunächst durch die Stadt, dann eine Ausfallstraße mit sehr viel Verkehr und vielen Ampeln entlang. Das Rad ist ein typisch japanisches Alltagsrad, mit Damenrahmen, für ein E-Bike sind Rahmen, Gabel und Bremsen erstaunlich filigran, es wirkt etwas wacklig. Dafür ist es leicht und die Unterstützung durch den E-Motor ist geschmeidig und passt zu Rad und Fahrer. Endlich biegen wir ab auf die erste Brücke, jetzt haben wir die Autos abgeschüttelt und es gibt nur noch zwei Fahrspuren für Fahrräder. Die Auffahrt zur Brücke ist grandios, in engen Radien schraubt sich der Weg nach oben, wie bei einer Karusselfahrt. Auf der Brücke bleiben die Räder unter sich, vom Autoverkehr geschützt. Der Ausblick auf die vor uns liegenden Inseln ist atemberaubend, es ist ein erstaunlich kühler Morgen, es liegt Herbstnebel über dem Wasser. Aber die Wetterprognose ist gut und ich freue mich auf die Sonne.

Die ersten 20 km sind ein Vergnügen, viele Brücken, überwiegend geschützte Radwege, interessante Dörfer. Ich vermeide viele Fotostopps und lasse alle 7-Eleven am Wegesrand links liegen. Pause machen werde ich, wenn die Sonne sich gegen den Nebel durchgesetzt hat.

Aber die Sonne tut sich schwer, gegen Mittag wird es wärmer und ich mache die erste Pause genau bei der Hälfte der Strecke. Es gibt dort ein Lokal und ein paar Läden. Einheimische verkaufen Orangen, Zitronen und Honig und allerlei aus Orangen und Mandarinen produzierte Produkte wie Saftkonzentrate, Schönheitsmittelchen, Süßigkeiten. Eine Mitarbeiterin der Tourism-Behörde der Präfektur Hiroshima befragt mich zu meinen Reiseaktivitäten, ich gebe alle Geheimnisse gerne preis.

Wieder kommt eine große Brücke und jetzt wird es langsam eng auf dem Radweg, denn hier zur Höhe der Strecke begegnen sich die am Morgen in Imabari gestarteten und die in Onomichi gestarteten, welche die Hauptroute an einem Tag absolvieren. Viele andere Radler weichen auf Routenvarianten aus, die auf abgelegene kleine Inseln führen und dort übernachten.

Für kurze Zeit lässt sich die Sonne blicken und taucht alles in sattes Grün, das von vielen orangefarbenen Tupfen geschmückt wird, denn wir befinden uns noch immer in Ehime, dem Orangengarten Japans.

Ich mache jetzt öfter Pausen, auch weil Po, Beine, Knie schmerzen (ich dachte immer, Radfahren schont die Knie). Der Weg führt jetzt auch wieder vermehrt über reguläre Straßen, von denen 30 cm mit einer blauen Markierung für uns Radfahrer abgetrennt sind. Dennoch kommen die Autos unangenehm nahe. An einem 7-Eleven gönne ich mir Kaffee, frisches Wasser und ein Sandwich. Praktischerweise hat dieser 7-Eleven auch eine Toilette, kostenlos, blitzsauber – wie immer in Japan. Und ein freundliches Lächeln gibt es wie immer gratis.

Unterwegs fallen mir viele leerstehende, teilweise verfallene Häuser auf, Landflucht scheint auch in Japan ein Thema zu sein.

Die letzten Kilometer sind anstrengend, auch wenn der E-Motor weiterhin unterstützt. In Onomichi verfahre ich mich, die Markierungen sind verwirrend, weil die Stadt Ausgangspunkt mehrerer Radwege ist. Eine junge Frau mit Kind und Rad hilft mir weiter und in der Dämmerung erreiche ich die Fähre. Im Gegensatz zur Start-Stadt Imabari ist der Zielort Onomichi eine überraschend schöne Küstenstadt mit Fischerhafen und einer elegant-modernen Innenstadt. Am Bahnhof ist die Station des Radverleihs, die Rückgabe ist in 2 Minuten erledigt, mein Koffer steht bereit. Japanische Freundlichkeit und Präzision auch hier.

Die Bahn bringt mich noch am Abend von Onomichi nach Okayama. Dort übernachte ich in einem Hotel, das Japan Railways gehört und sich direkt über dem Bahnhof befindet. Der Zugang ist nicht einfach zu finden, im Shoppingcenter des Bahnhofs gibt es einen Lift mit einem unscheinbaren Schild, in der 5. Etage befindet sich die Rezeption. Der Check-in geht schnell; wie in allen Hotels der mittleren Preisklasse sind Tee, Kaffee und Softdrinks von 15.00 bis 22.00 kostenlos. Das Zimmer ist klein, aber praktisch eingerichtet, mit Blick auf die ein- und ausfahrenden Züge. Genau das Richtige für Eisenbahnfans.

Es war ein toller Tag, ich bin sehr müde. 10 Punkte

Datum: 5. November 2025 — Ort: Imabari – Onomichi

Das Mamachari

Mein heutiges Rad hatte zwar eine kleinen E-Motor integriert und eine Gangschaltung, glich aber äußerlich sehr dem Klassiker japanischer Fahrradtypen – dem Mamachari.

Ein Begriff, der sich – typisch japanisch – aus zwei Worten zusammensetzt: mama für Mutter und chari, einem umgangssprachlichen Wort für Fahrrad. Und genau das ist es wohl auch: das Mutterfahrrad, der Familienwagen auf zwei Rädern.

Wenn man durch japanische Städte läuft, sieht man sie überall. Diese einfachen, aber unverwüstlichen Alltagsräder sind das Heldinnen des Alltags. Mit ihnen werden Kinder zur Schule gebracht, Einkäufe erledigt, Fahrten zum Bahnhof gemacht oder Sporttaschen transportiert.

Typisch sind der niedrige Einstieg, ein stabiler Gepäckträger, ein großer Einkaufskorb, Schutzbleche, ein Kettenschutz, ein Dynamo-Licht und sehr stabiler Ständer.

Obwohl die Räder einem Damenrad – Rahmen haben, werden sie genauso gern von Männern benutzt, da scheinen die Japaner pragmatisch zu sein. Die Räder sind kein Sportgerät oder Prestigeprojekt sondern Alltagsgegenstände, die man auch mal ein paar Tage am Bahnhof stehen lassen kann.

Das Mamachari ist gebaut für den Alltag. Für kurze Wege, schwere Taschen, Kinder an Bord und das ganz normale Leben.

Was mir auffällt

Beim heutigen engen Kontakt mit dem Straßenverkehr ist mir aufgefallen, wie wenig Elektro-Autos es in Japan gibt. Genau genommen , habe ich gar keins gesehen, – weder Teslas noch BYD oder andere chinesische Herstellen. Yapanische Firmen wie Toyota setzen weiter auf Verbrenner und für die Zukunft auf Brennstoffzellen. Gründe für die Zurückhaltung beschreibt Auto, Motor und Sport.


Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar